LUDEK PESEK – Realist und Visionär


Angelika Ullmann - 2006

Ludek Pesek - Cosmic Surrealism

Space Art 2: Die surrealistischen Weltraumbilder

Es genügte LUDEK PESEK nicht, sich ausschließlich auf die wissenschaftliche Illustration zu beschränken und sich als Maler ihren Gesetzen unterzuordnen. Seine schöpferische Fantasie suchte nach freieren Ausdrucksformen; diese fand er in dem von ihm so genannten poetischen Surrealismus, einer sehr kreativen und produktiven Phase seines Lebens. In diesen Bildern sind im realistischen Stil Motive aus der Weltraummalerei, der Space Art, mit irdischen Motiven kombiniert. Seinen poetischen Surrealismus sah LUDEK PESEK in der Tradition von RENÉ MAGRITTE, den er sehr schätzte - wie sehr zeigt ein Triptychon, das der Maler dem großen Meister des Surrealismus widmete. Auch die Tatsache, dass er diesem Gemälde ganz gegen seine Gewohnheit einen Titel - Spiel - Hommage an RENÉ MAGEITTE 38 - gab, zeigt seine Bedeutung für ihn. Wie dieser malte LUDEK PESEK streng realistisch nur Dinge, die es so auch in der Wirklichkeit gibt. Den traumartigen, surrealistischen Charakter gewinnen seine wie MAGRITTES Bilder, indem die Dinge aus ihrer vertrauten Sphäre herausgenommen und in einen völlig anderen Zusammenhang gestellt werden. Die auf diese Weise erreichte Verfremdung eröffnet eine neue Sicht auf die Dinge und die Welt. LUDEK PESEK geht aber insofern über MAGRITTE hinaus, als er Dinge, die jedem vertraut sind, in die uns fremde Welt des Universums oder eines fernen Planeten stellt.Ludek Pesek - Cosmic Surrealism

Charakteristisch für diese von DAVID A. HARDY als cosmic surrealism 39 bezeichneten Gemälde ist die Beschränkung auf wenige symbolkräftige Elemente. Durch die bewusste Reduktion schaffen die Bilder Raum, den der Betrachter mit seinen Gedanken füllen kann. Auf diese Weise gewinnen die surrealistischen Gemälde gedankliche Tiefe und verdichten sich zu philosophischen Aussagen. Es geht um das Geheimnis des Lebens, den Kreislauf von Werden und Vergehen, der Einheit von Vergangenheit und Zukunft. Aus der Fülle der Bilder dieser Schaffensperiode können hier nur ein paar als beispielhaft herausgegriffen werden.

Auf diesem Gemälde ist eine Landschaft auf einem anderen Planeten naturalistisch dargestellt: kleine flache Krater, Felsen und Steine im Bildvordergrund, der Boden von staubiggraubrauner Beschaffenheit, am Horizont Berge. Das Licht fällt aus einer unsichtbaren Quelle von links auf die Szenerie. Es schafft deutliche Kontraste und lenkt den Blick des Betrachters. Dieser steht mitten in dieser Landschaft auf einem fernen Planeten. Sein Blick bleibt an einer kleinen Szene im unteren Drittel des Bildes, die etwas aus der Mitte nach links gerückt ist, hängen. Hier am höchsten Punkt der Landschaft entspringt inmitten einer Ansammlung von bemoosten Steinen unterschiedlicher Größe eine Quelle, deren Wasser sich in einem kleinen Teich sammelt. Auf einem flachen Stein gleich neben ihr steht ein irdener Wasserkrug, um den herum Sumpfdotterblumen wachsen. Auf diese Stelle konzentriert sich das Licht - besonders auf den Krug und die kleine gelbe Blume neben ihm. Ein schmaler Fußweg - ebenfalls hell beleuchtet - schlängelt sich von der Quelle zum Horizont. Er lenkt den Blick des Betrachters zum einen auf die voll angestrahlten Berge am rechten Bildrand, zum anderen auf die im Hintergrund in der Bildmitte schwebende Erde, eine Ansicht des blauen Planeten, wie sie uns von Aufnahmen aus den Weltraum fast schon vertraut ist. Durch den Lichteinfall hebt sich die linke Hälfte leuchtend von dem tiefblauen Sternenhimmel ab. Der Pfad verbindet die beiden beherrschenden Bildelemente - die Erde sowie die Quelle mit Krug und Blume -optisch miteinander.

Es ist eine Szenerie des Anfangs und der Ursprünglichkeit: eine Urland-schaft mit Steinen und Staub, Leere und Weite - wie zu Beginn der Erdgeschichte. Das Leben hat auf dem Planeten bereits Fuß gefasst, dafür steht die Quelle - Symbol des Lebens überhaupt; die Blumen symbolisieren nicht nur pflanzliches Leben, sondern durch ihre Farbe auch Schönheit; der getöpferte Krug ist ein Hinweis auf die Anfänge von Kultur. Das Bild beeindruckt aber nicht nur durch die klare Sprache der Symbole, sondern auch durch die Abwesenheit des Menschen - ein Motiv, das die Bilder dieser Gruppe mit den irdischen Landschaftsgemälden verbindet. Der Betrachter fragt sich: Wer hat den Krug getöpfert? Wer ist hier immer wieder zur Quelle gekommen, so dass sich der Pfad herausbilden konnte? Sind es Menschen, die auf diesem neuen Planeten noch einmal von vorne angefangen haben - möglicherweise nachdem die Erde unbewohnbar geworden ist? Darauf könnte die Komposition des Bildes hinweisen, die zwischen Krug und Erdkugel eine Beziehung herstellt. Oder enthält das Bild eine Mahnung an den Menschen, sich der wirklich wichtigen Dinge bewusst zu werden und die Erde als Lebensraum für den Menschen nicht zu zerstören? Oder sind Quelle, Blume und Krug nur Metaphern für die Erneuerung des Lebens aus sich selbst heraus?Ludek Pesek - Cosmic Surrealism

Wie dem auch sei - in dieser poetischen Szenerie mit Krug und Quelle drückt sich ein stilles, aber nachdrückliches Bekenntnis zum Leben und zu den wesentlichen Dingen aus.

Das Geheimnis des Lebens - auf der Erde oder irgendwo im Universum auf einem fernen Planeten - ist ein Thema, das LUDEK PESEK vielfach variierte.

An die Stelle von Quelle und Krug treten in anderen surrealistischen Planetenlandschaften einzelne Blumen wie Löwenzahn, Sonnenblume, Königskerze oder blaue Schwertlilie, ein einzeln stehender Baum, ein Fels mit einem blauen Schmetterling oder einem Feuersalamander darauf. Eines zeigt ein Vogelnest im Schatten eines Felsblocks, ein anderes eine Eule auf einem Ast. Manches dieser Motive hat der Maler leicht verändert auf zwei oder gar drei Gemälden neu gestaltet. Auch die rot blühende Blume auf einem abgestorbenen Ast, die wir schon von den Triptychen Ein geheimnisvoller Fund auf dem Kilimandscharo und Undurchdringlichkeit kennen, taucht verfremdet als beherrschendes Motiv in einer wüsten Planetenlandschaft wieder auf - den Beginn neuen Lebens symbolisierend wie der Titel Hoffnung nahe legt.

Neben Motiven aus dem Pflanzen-und Tierreich platziert LUDEK PESEK auch antike Ruinen wie einen Triumphbogen, Säulenstümpfe oder Überreste zerfallener Städte in die planetarische Landschaft - so, als gäbe es auch auf fernen Planeten eine Geschichte der Zivilisation, von der nur noch Ruinen Zeugnis ablegen.

Eine Steigerung in der surrealistischen Verfremdung und ein Spiel mit der Vorstellung vom Bild im Bild stellen die Gemälde dar, in denen LUDEK PESEK den Vorgang des Malens zum Teil des Bildes und seiner Aussage macht.

Ludek Pesek - Cosmic Surrealism - Das Nest

Das Bild Das Nest zeigt eine in ein bleiches Licht getauchte Planetenlandschaft mit abgestorbenem Baum vor samtschwarzem Himmel mit Erdkugel. Eine magisch blaue Sternenwolke zaubert blaue Lichtreflexe auf die Berge am Horizont und den Baum. Mitgemalt, und damit ein Teil des Gemäldes, ist ein reich verzierter goldener Rahmen. In die untere rechte Ecke des Rahmens schmiegt sich ein Vogelnest mit drei Eiern. Unter dem Nest befindet sich Eichenlaub - ein Hinweis darauf, dass der tote Baum eine Eiche ist, wie auf den meisten «irdischen» Bildern von Bäumen. Blätter und Vogeleier deuten an, dass neues Leben bereits wieder im Werden ist.Ludek Pesek - Cosmic Surrealism


Auf einem anderen Gemälde hat der Maler eine Staffelei mitten in die tote Landschaft eines fernen Planeten gestellt. Das Bild darauf zeigt den von der Staffelei verdeckten Ausschnitt - aber im Gegensatz zu der öden Planetenlandschaft eine blühende Szenerie, wie sie uns von der Erde her vertraut ist. Es ist die Vision des Malers, der hier vorwegnimmt, was einmal auch auf diesem toten Planeten an Leben möglich sein könnte. Das Staffelei-Motiv ist ein Zitat von MAGRITTE und zeugt von der kreativen Auseinandersetzung LUDEK PESEKS mit diesem Maler.

Ein Zitat aus LUDEK PESEKS Roman Die Erde ist nah erscheint wie ein Kommentar zu den surrealistischen Weltraumbildern. Der begleitende Arzt der Expedition ist Zeuge eines Naturschauspiels auf dem Mars: «Ein Felsblock, der in riesigen langsamen Sprüngen den kleinen Hang hinabstürzt und unten im Geröll liegen bleibt. Wie lange mag wohl diese Sekunde, in der sich der Felsblock vom Mutterfelsen löste, herangereift sein? Wie lange haben Wind, Frost und Sonnenglut genagt, ehe sie diese schwere, unförmige Masse abspalteten und ihr Bewegung und Verwandlung gönnten? Ich begreife, dass alles natürlich ist, dass sich nichts Ungewöhnliches ereignet hat. Die Harmonie des Weltraums, dessen Bestandteil ich bin, wird durch meine Gegenwart nicht gestört. Jetzt gehöre ich hierher, genauso natürlich, wie ich nach hundert Jahren nicht mehr hier sein werde. Genauso natürlich, wie die Felsenwände nach Milliarden Jahren in der Glut der alternden Sonne absterben werden, ohne Mitleid für die längst vergessene Menschheit. Und irgendwo auf einem Planeten, der kaum so weit ausgekühlt ist, dass Wasser bestehen kann, werden in seichten Resten irgendwelche Vorzeichen von Leben andeuten, dass vielleicht einmal Gras oder ein Baum oder ein Pferd, ein Vogel oder ein Mensch entstehen wird.»40Ludek Pesek - Sandstorm on Mars

Diese Textstelle thematisiert ebenso wie die Gemälde dieser Gruppe den ewigen Kreislauf von Werden und Vergehen, die Faszination durch die Harmonie des Universums und die Liebe zur Erde. Hier wird auch deutlich, welche symbolische Bedeutung Felsen für LUDEK PESEK haben: Sie sind so etwas wie das Urmaterial - scheinbar unvergänglich - «felsenfest» - und doch Teil der ewigen Verwandlung.

Felsen und Steine übten eine große Anziehungskraft auf den Maler aus. Sie sind auf den meisten seiner realistischen Bilder zu finden und stellen auch auf den surrealistischen Weltraumbildern ein wichtiges Motiv dar.

Sie sind aber nicht nur Teil der wirklichkeitsnahen Gestaltung von Planetenlandschaften, sondern auch ein verfremdendes Element, wenn sie -wie auf vielen surrealistischen Gemälden - scheinbar schwerelos durch den Raum schweben. Sie transportieren dann das Leben durch das Universum - so zum Beispiel fliegt ein Steinbrocken, auf dem Löwenzahn wächst, durch das Weltall. Neben der rot blühenden Aufsetzerblume hat LUDEK PESEK eine Vorliebe für den Löwenzahn, diesem Lebenskünstler unter den Pflanzen. Er platziert die kleine Blume - oft scheinbar wie nebensächlich -auf vielen seiner realistischen wie surrealistischen Bilder, so zum Beispiel auch auf dem Gemälde mit der Eiche. Als Pionierpflanze erobert er sich jeden Lebensraum: durchsetzungsfähig, hartnäckig und mit seiner kleinen gelben Blütensonne auch strahlend schön.Ludek Pesek - Cosmic Surrealism

Sogar Felsbrocken mit einer vollständigen Landschaftsszenerie aus Baumgruppen, Wasserfall und Vögeln sind im Universum unterwegs. Das Motiv tritt in zwei Variationen auf: einmal ist der Stein damit bewachsen, das andere Mal ist er durchbrochen und die Öffnung gibt den Blick frei auf eine Naturidylle. Dieser Gruppe von Gemälden hat LUDEK PESEK den Titel Träume der Steine gegeben. Träumt der Stein in den öden, unendlichen Weiten des Weltraums von der lebendigen Natur der Erde? Oder reist das Leben, geborgen in der Sicherheit des Steins, durch das All einem Neuanfang auf einem anderen Planeten zu? Wie auf dem Gemälde Die Kraft des Lebens bilden hier Stein und Pflanzen eine Symbiose. Das Motiv des schwebenden, mit üppiger Vegetation bewachsenen Felsbrockens findet sich auch ohne den Bezug zum Weltall auf anderen Gemälden.

Das Motiv erlaubt keine eindimensionale Deutung, sondern eröffnet einen mehrdeutigen Beziehungsraum. Es fügt Elementares zusammen: die Dauerhaftigkeit des Steins mit der Lebendigkeit von Bäumen, Pflanzen und Blumen. Er wird auf diese Weise Teil der lebendigen Natur, er verliert seine Schwere und gewinnt schwebende Leichtigkeit. Diese Gemälde wirken heiter und freundlich.Ludek Pesek - Cosmic Surrealism

Ein Gemälde von eindringlicher Befremdlichkeit ist das von der durch den Weltraum fliegenden Eule. Sie beherrscht vor dem Hintergrund des mit Sternen übersäten dunkelblauen Himmels nahezu das ganze Bild. Erst auf den zweiten Blick wird deutlich, dass sie ein Zwitterwesen ist: der Kopf scheint der einer lebendigen Eule zu sein, ihr Körper jedoch ist ein massiver Fels, der die Gestalt einer Eule hat; die Füße sind zwei gedrungene altertümliche Säulen - Hinweise auf menschliche Zivilisation. Zwischen ihnen tut sich eine Öffnung auf, aus der eine unübersehbare Anzahl von Eulen in das All herausfliegt - sie bewegen sich wie die steinerne Eule direkt auf den Betrachter zu. Auf diesem Bild sind Stein und Lebewesen zu einer Einheit verschmolzen. Der Fels scheint sogar in unendlicher Folge neues Leben in Gestalt der herausfliegenden Eulen zu gebären. Der Surrealismus der Darstelhing erreicht hier einen Höhepunkt -verstärkt noch durch die Bedeutung der Eule als Symbol der Weisheit: Dieser Vogel wird bekanntlich Athene, der griechischen Göttin der Weisheit, zugeordnet. Der Maler hat diesem Bild den Titel Mutter der Eulen gegeben.

 

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich der «Landschaftsmaler» LUDEK PESEK in den Weltraumbildern, den realistischen wie den surrealistischen, treu bleibt. Er verherrlicht nicht, wie so viele Maler aus dem Genre der Space Art, den fantastischen technischen Fortschritt des Menschen und eine zukünftige High-Tech-Zivilisation auf fernen Planeten, aber er gleitet auch nicht ab in esoterischen Kitsch. Seine Haltung ist eine Mischung aus Faszination und Respekt: Es ist die großartige Schönheit, Fremdartigkeit und Erhabenheit der Marslandschaft wie der anderen Planeten und des unermesslichen Universums, die er dem Betrachter vermitteln will. Dieselbe Achtung erweist er der irdischen Natur; sie zeigt sich in seiner Liebe zu Bergen und Bäumen, zur Landschaft überhaupt. Er ist ein Liebhaber des Lebens in seiner ganzen Vielfältigkeit - mit einer großen Skepsis gegenüber dem Menschen. Wie anders ist dessen Abwesenheit auf den meisten seiner Bilder zu deuten?

 

38Ausstellungskatalog a.a.O., S. 52
39 DAVID A. HARDY, Visions of Space. Limpsfield, Great Britain, 1989, S.145
40LUDEK PESEK, Die Erde ist nah. Die Marsexpedition. 1970 Georg Bitter Verlag Recklinghausen. 3. Auflage, S. 154f.


LUDEK PESEK – Realist und Visionär